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                              ...Wanderleben...

                                         ... auf dem längsten Weg der Welt ...

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Stand:
25.11.2015

Nordwest England

NordWestEngland01

England ( Liverpool )

Wo bin ich denn ? Winzig wirke ich vor den Protzbauten längs vergangener Tage hier am Hafen von Liverpool.

England / Manchester

Bei Thomas sieht es zwar auch aus wie nach einem Atomschlag, doch die Luft hier ist nicht dermaßen zum schneiden wie noch bei Sam.

Komischerweise sind englische Wohnungen oft ziemlich durcheinander, zumindest gemäß meiner Erfahrung hier im Lande.

An diesem Tag, einem Samstag, gehts weiter nach Liverpool, einer wichtigen Stadt in der Nähe; Liverpool wuchs einst als Hafen für all die neuen Industriestädte im Landesinneren heran, und vor allem wegen des sehr einträglichen Sklavenhandels vor 300 bis 170 Jahren.
Das machte den Ort am Meer unglaublich reich, was man auch sieht. Im Gegensatz zu Manchester, was auch im sämtlichen Kriegen - besonders im zweiten Weltkrieg, nicht dermaßen zerstört wurde, so dass noch viel an historischer Bausubstanz erhalten blieb.

Schon früh erreiche ich mit dem Bus Liverpool wo ich auch schon verabredet bin. Allerdings - mittlerweile organisierte ich mir eine Telefonnummer und ein Handy, werde ich gerade bitterböse versetzt: ” Sorry, chance my plan for today, i can’t host you. Sorry…”

Das schlägt ein …. somit hänge ich jetzt auf der Straße, hier inmitten der Menschenmassen eines Samstagmittags im Zentrum einer Metropole.

Weder möchte ich jetzt Stunden mit der digitalen Suche nach einem Bett bei Mac Donalds WiFi-Sevice verbringen,  noch werde ich nicht wieder die Sache mit meinem Portemonnaie lösen. Zu teuer sind die Hostels heute an diesem schrecklichen Samstag, wo jedes Stadtzentrum aus allen Nähten zu platzen droht, da die saufenden Tagestouristen aus dem Umland jedes verfügbare Bett belegen, Junggesellenabschiede, Firmenbelegschaften und Studentenhorden auf Alkoholjagd sorgen für ein Bettpreis von sagenhaften 25 Pfund, da diese ja soooo begehrt sind. Uff… da spiele ich nicht mehr mit.

Also Plan B ist angesagt, ich nutze den schönen, sonnigen Tag um etwas von der Stadt noch zu sehen; mit schweren Gepäck schreite ich durchs Zentrum mit seinen ausgedehnten Einkaufsstraßen,  alles hypermodern in Glas und Stahl auf dem neuesten Stand gebracht.
Auch die Hafengegend, einst fürchterlich herunter gekommenen, heute blitzblank im neuen Schein erstrahlend, zeigt mir das Liverpool wieder da ist.

Noch in den 70er Jahren befand sich Liverpool auf dem Tiefstand seiner Geschichte; unglaubliche 90 % Arbeitslosigkeit soll es hier gegeben haben, und das in einer Stadt dessen Hafen mal der mächtigste dieser Welt war: 40 % des gesamten Welthandels wurden um das Jahr 1800 über Liverpool abgewickelt; England, damals die Werkbank und Zentrum der Welt, produzierte nahezu alles für seine Kolonien,  Textilien aus Manchester, Getreide und Stahl aus Sheffield. Alles über diesen einen Hafen.

Und noch heute blicke ich auf die mächtigen Fassaden alter Prunkgebäude im Hafen. Auch der gewaltige, stumpfe Viererturm der kolossalen Kathedrale in der Ferne beeindruckt sehr.

Liverpool scheint eher wie eine Hauptstadt aus zu sehen, eine Regionalhaupstadt einer großen Zeit im damals mächtigsten Land der Welt.
Im Gegensatz zu Manchester wirkt Liverpool großartiger, mit mehr Identität. Nicht zuletzt auch wegen seiner jüngeren, musikalischen Geschichte; hier gründeten sich um die sechziger Jahre die Beatles.

So viel Geschichte an einem Ort ….

Aber meine Zeit ist schon wieder vorbei, ich muss den halben verbleibenden Tag wie üblich für die Organisation meines künftigen Schlafplatzes verplempern. Heute dann für die Busfahrt nach York, wo ich jederzeit bei Manfred, Onanda und Gordon willkommen bin. York, die freundliche Stadt wo ich einst so gut zu untergekommen bin und wirklich Freunde fand.

Das kommt mir jetzt wirklich zugute. York ist nur etwa 100 Kilometer weit und dort fahre ich jetzt hin; Busse verkehren hier in England permanent. Ein Glück.

Die spannende, schöne Stadt Liverpool zieht am Fenster des Linienbusses vorüber,  hier konnte ich heute leider nicht bleiben ….

Zumindest konnte ich aber einen kleinen Eindruck gewinnen.

Juhuuu, ich fahre jetzt wieder nach York ….

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England ( Manchester )

Hier habe ich übernachtet, in der alten “Mill” nördlich der Innenstadt von Manchester. Die 220 Jahre alte Textilfabrik ist nun mit Wohnungen ausgebaut worden, da schon seit vielen Jahrzehnten keine der traditionellen Industrien hier mehr betrieben werden.

Das Hostel hat nur 15 Pfund gekostet,  zusammen aber mit all dem Essen bin ich schon wieder 25 Pfund losgeworden.

So allmählich schwinden meine üppigen Reisegroschen aus Schottland, jene milde Großspende in Anerkennung meiner Arbeit auf der Hare Krishna Farm. Ja, so sparsam war ich bisher gewesen, aber irgendwann ist mal Schluss; nur ein dünnes Überbleibsel ist vom Batzen schottischer Banknoten übrig.

Ich muss nun wieder eine Couch finden, um jenes kleine Bündel zu schonen.

Statt wie immer in stundenlangen Internetsitzungen bei Mac Donalds WiFi, immer die vertraute Akustik einer geschäftigen Burgerproduktion im Hintergrund hörend, versuche ich mein Glück mal ganz praktisch, im “Gay Village”, einem ganzen Viertel voller Schwulenkneipen hier in Manchester, wo eine Regenbogenflagge neben der anderen im lauen Wind des Milden Abends weht … dort treffe ich Thomas, der sich auch nicht lang bitten lässt,  mich mit Sack und Pack zu sich nach Hause zu nehmen.

So lande ich diesmal in einer großen Wohnung, die wie die meisten hier in der Stadt, von mehreren besiedelt ist.

Naja, so mittlerweile dürfte es dem lieben Leser meines Reisetagebuchs aufgefallen sein, dass ich so ziemlich gar nicht bei weiblichen Gastgebern in letzter Zeit unterkam …. der Grund ist zum einen halt eine gewisse Scheu, mich als “Kerl” mal soeben ins Haus einzuladen. Anderseits geht sowas bei Couchsurfing, der gelobten Gastfreundschaftsplatform im Internet, durchaus, doch diese ist -wie ich ja schon beschrieben hatte, dem Kollaps nahe und nur selten hilfreich.

Somit surfe ich nun über den Regenbogen, mit dem Homo - Netzwerk “Planet Romeo” über die Couchen dieses Landes, was allemal besser funktioniert; einfach einloggen, schauen wer online ist und anschreiben. Meistens bekomme ich schon nach Minuten eine Mail … und mit etwas Glück findet sich so eine kostenlose Übernachtung bei einer netten Schwester im Ort.

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England ( Manchester )

Alt und neu nebeneinander.  Manchester hat sich von einer darbenden Altindustriellen Stadt zu einer vitalen Metropole mit viel Zulauf entwickelt und hat mittlerweile als zweitwichtigste Stadt noch vor dem viel größeren Birmingham, die Nase vorn.

Allerdings, nachdem ich ja den direkten Vergleich machen konnte,  bin ich eher der Meinung beide Städte liegen gleichauf.

Hier ragt der neue, 169 Meter hohe Beetham Tower neben 160 Jahre alten Ziegelbauten in den Himmel.

Am nächsten Morgen wundere ich mich wie gut ich dennoch schlafen konnte. Hatte gestern Abend ja etwas bange, dass mir nächtens der Hals dicht wird vor Gestank.  Doch ein sauberer Socken über Mund und Nase, scheint mich vor Schlimmeren bewahrt zu haben.

Ich Lüge dass ich schon heute wieder weiter muss; habe es eilig, da ich einen Job im Internet fand der in der City zu erledigen ist…

Sam wiederholt sein Angebot so lange zu bleiben wie ich es wolle, doch beim besten Willen, ich stieg über die Katzenscheiße hinab, und verschwinde in die frische Luft.

Na, jetzt bleibt wieder mal das Hostel übrig.  Habe ja noch etwas Geld.

In Hatters Hostel finde ich auch ein freies Bett und freue mich über den sonnigen, warmen Tag hier und jetzt in Manchester.

Spannend ist es hier allemal,  an diesem Ort wurde die Industrie erfunden, die erst England, dann den ganzen Kontinent zu dem machte, was er heute ist.

Manchester, vor 300 Jahren noch ein Dorf, konnte von seinen Flüssen und Bächen ringsherum,  profitieren;  einst mit Wasserkraft -also mit Wasserrädern angetrieben,  gründeten sich hier die ersten Manufakturen,  die berühmten Textilfabriken die ihrer Zeit nahezu die ganze Welt mit Tuch, Kleidung und Stoffen versorgte.

Noch heute werden diese Fabriken “Mills” genannt, da es sich lange Zeit um Wassermühlenwerke handelte, bis später dann die Dampfmaschine (in Birmingham) erfunden wurde, welche die Wasserkraft ablöste.

Es musste damals vor 250 Jahren ein gewaltiger Umbruch gewesen sein; Überall in Mittelengland wuchsen die ehemals kleinen Bauersiedlungen zu riesengroßen Industriestädten heran.  Manchester und Birmingham waren voller ziegelroter Fabriken,  die mit ihren gezackten Dächern und den vielen Kaminen ein völlig neues Bild in der Geschichte der Menschheit zeigten; England erfand die Industrie,  die Massenfertigung mit ihrer bekannten Ästhetik rauchschwarzer Himmel über den Arbeitersiedlungen, die trist und eintönig die Großfamilien der ausgebeuteten Arbeiter eine enge Unterkunft boten.

Noch heute sehe ich überall hier diese kleinen Wohnungen,  längs der Straßen dicht an dicht, wo einst bis zu zehn Familienmitglieder ihr Dasein zur Zeit der “Ersten industriellen Revolution” fristeten.

Auch die Fabriken,  heute natürlich seit gut hundert Jahren nicht mehr in Betrieb,  stehen noch teilweise im Stadtbild herum.  Oft verwildert, meist als Garage oder Werkstätten benutzt,  wechseln diese alten Zeugen einer bahnbrechenden Zeit mit modernen Gebäuden aus Glas und Stahl.

Manchester hat viel durchgemacht, noch in den 70er Jahren, wo der industrielle Niedergang wieder mal einen Höhepunkt erreichte, waren hier gut 60 % Arbeitslos.

Alles hier war finster, die Städte schrumpften und darben vor sich hin. Halt das in Deutschland alt bekannte Bild einer tristen, Englischen Stadt.

Heute aber ändert sich das sehr; schon seit einem Jahrzehnt wird überall gebaut. Mittlerweile sieht es hier im Zentrum aus wie in allen Millionenstädten: Hochhäuser,  Verkehrskollaps, Mac Donalds und aufgetakelte Partymäuse überall.

Möglich macht das die neueste Entwicklung in der Geschichte dieses Landes: Die Finanzindustrie, dem Märchen vom geliehenen Geld was nahezu grenzenlos zur Verfügung steht …

Jedenfalls hat das schon sein Gutes, ich spaziere hier durch eine Stadt wie sie wohl größer und lebendiger nie gewesen ist.

Doch ob es immer so weitergehen soll, immer mehr Geld - mittlerweile aus Quellen ohne objektiver Wertschöpfung, da England kaum noch nennenswerte Industrie besitzt,  ins System zu pressen, immer mehr Geld einfach zu drucken,  das wird sich zeigen im ständigen auf und ab, im Wechselbad der Geschichte dieses großen Landes ….

Heute bin ich wieder verabredet,  diesmal mit Sam den mir Manfred aus York empfohlen hat. Ganz konventionell im Bus, mache ich mich auf dem Weg, wieder nach Norden. Doch ob per Anhalter oder sonstwie, zuverlässig kommt man hier nicht weg; Birmingham,  ein riesiges Geflecht aus Großstädten,  kollabiert soeben im Feierabendverkehr. Nichts geht mehr,  der Bus schafft gerade mal 20 Kilometer innerhalb der Stadt in über eine Stunde.

Ich ahne mein Treffen heute nicht pünktlich einhalten zu können;  Sam wartet um 18:45 am Flughafen in Manchester-Süd auf mich, weil da der Bus plangemäß eintrifft.

Doch auch auf dem Motorway (so heißt hier die Autobahn) über Stoke on Trent nach Manchester,  gerade mal 120 Kilometer,  geht gar nichts mehr. 35 Millionen PKWs, hat dieses Land und scheinbar alle sind zugleich unterwegs.  Katastrophe.

Trotzdem treffe ich meinen Gastgeber nach anderthalb Stunden Verspätung am vereinbarten Ort. Sam hat einfach gewartet,  mich nicht hängen lassen, wobei ich noch nicht einmal ein funktionstüchtiges Handy habe um ihn zu unterrichten,  das ich später komme ….

Wir fahren zu ihm nach Hause in einer der Endlos-Vororte der Millionenstadt,  finde mich vor einem Reihenhaus wieder, Sam öffnet die Türe und mich trifft der Schlag: Gleich das erste was ich zu Gesicht bekomme, ist dieses Katzenklo, lediglich aus einer großen Schale bestehend die schon ganze Ewigkeiten keine Reinigung erlebt haben dürfte;  mittlerweile türmen sich die Hinterlassenschaften dieser zotteligen Katze darin, die Luft ist zum schneiden dick. Ich denke nichts, laufe einfach die Treppe hinauf und lass das Schicksal auf mich zukommen ….

Irgendwie verdränge ich dann den beißenden Geruch, lege mich auf meine Luftmatratze neben Sams Bett und überlege wie ich hier wieder rauskomme; unterhalte mich noch etwas,  ohne aber mich zu beschweren,  er würde es wohl nicht verstehen,  denke ich.
Einige Biere später gehts schon besser, auch das liebe Tierchen, dem hier all der Ungemach zu verdanken ist, scheint mich recht gut zu mögen;  Miez schnurrt und kuschelt wich an mich, während ich Sam von meinen Abenteuern erzähle.



 

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